DATEV: Jul 2021, Einkommensteuer

Sind Verlustverrechnungsbeschränkungen für Aktienver­äußerungsverluste verfassungswidrig?

Der Bundesfinanzhof hat dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob es mit dem Grundgesetz vereinbar ist, dass Verluste aus der Veräußerung von Aktien nur mit Gewinnen aus der Veräußerung von Aktien und nicht mit sonstigen positiven Einkünften aus Kapitalvermögen ver­rechnet werden dürfen.

Das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 hat die Be­steuerung von Kapitalanlagen, die dem steuerlichen Pri­vatvermögen zuzurechnen sind, grundlegend neugestal­tet. Durch die Zuordnung von Gewinnen aus der Veräuße­rung von Kapitalanlagen (u. a. Aktien) zu den Einkünften aus Kapitalvermögen unterliegen die dabei realisierten Wertveränderungen (Gewinne und Verluste) in vollem Umfang und unabhängig von einer Haltefrist der Besteue­rung. Da Einkünfte aus Kapitalvermögen grundsätzlich abgeltend mit einem speziellen Steuersatz von 25 % be­steuert werden, sieht das Einkommensteuergesetz vor, dass Verluste aus Kapitalvermögen nur mit sonstigen posi­tiven Einkünften aus Kapitalvermögen ausgeglichen wer­den dürfen. Eine zusätzliche Verlustverrechnungsbe­schränkung gilt für Verluste aus der Veräußerung von Aktien. Diese dürfen nicht mit anderen positiven Einkünf­ten aus Kapitalvermögen, sondern nur mit Gewinnen, die aus der Veräußerung von Aktien entstehen, ausgeglichen werden. Nach der Gesetzesbegründung sollen dadurch Risiken für den Staatshaushalt verhindert werden.

Im Streitfall hatte der Kläger aus der Veräußerung von Aktien ausschließlich Verluste erzielt. Er beantragte, diese Verluste mit seinen sonstigen Einkünften aus Kapitalver­mögen, die nicht aus Aktienveräußerungsgewinnen be­standen, zu verrechnen.

Nach Auffassung des Bundesfinanzhofs bewirke das Ein­kommensteuergesetz eine verfassungswidrige Ungleich­behandlung, weil sie Steuerpflichtige ohne rechtfertigen­den Grund unterschiedlich behandelt, je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben. Eine Rechtfertigung für diese nicht folgerichtige Ausgestaltung der Verlustausgleichsregelung für Aktienveräußerungsver­luste ergebe sich weder aus der Gefahr der Entstehung erheblicher Steuermindereinnahmen noch aus dem Ge­sichtspunkt der Verhinderung missbräuchlicher Gestal­tungen oder aus anderen außerfiskalischen Förderungs- und Lenkungszielen.